Außen Bürger, innen braun?

Von Frank Überall 3. Mai 2009, 01:33 Uhr

Sie tritt verbindlich und seriös auf, wird aber seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Kritiker werfen der Vereinigung Pro Köln ein Spiel mit der Angst vor. Jetzt veranstaltet sie einen „Anti-Islamisierungskongress“

Sie treten auf wie mustergültige Bürger. Springerstiefel und Glatzen sucht man bei ihnen vergebens. In Aufzug und Umgangsformen verbindlich geben sich die Funktionäre der Gruppierung Pro NRW. Am kommenden Wochenende wollen sie in Köln den populistischen Sturm auf den Islam entfesseln. Die Organisation, die aus der lokalen Vereinigung Pro Köln hervorgegangen ist, hat zum „Anti-Islamisierungskongress“ eingeladen. Ihr Feindbild sind die hier lebenden Muslime, ihr Weltbild ist zumindest radikal rechts. Der Verfassungsschutz beobachtet sie seit Jahren unter dem Verdacht des Rechtsextremismus.

Bundesweit bekannt wurden die Vertreter von Pro Köln durch ihren Protest gegen den Bau einer repräsentativen Moschee im Stadtteil Ehrenfeld. Die türkisch-islamische Organisation Ditib, die ihren Deutschland-Sitz in einer alten Fabrikhalle nahe der Innenstadt hat und dort seit Jahren Gebetsräume betreibt, will an der gleichen Stelle einen Neubau errichten lassen. Der aber soll mit Kuppel und Minarett besonders auffällig sein. „Es war ein Fehler, darüber nicht frühzeitig diskutiert zu haben“, sagt der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges heute. In diese Lücke stieß Pro Köln. Gezielt machten sie Stimmung gegen den Bau des islamischen Gotteshauses und schafften es dabei bundesweit in die Medien. Die Agitation gegen Gebetsräume ist aber nicht ihr einziges Anliegen. Auch gegen die Einrichtung eines Straßenstrichs, Asylbewerberheime und den Ausbau eines Hafens wird mobil gemacht. Die Bürger wissen dabei oft nicht, mit wem sie es zu tun haben. Denn das gesamte Erscheinungsbild dieser „Bürgerbewegung“, wie sie sich selbst bezeichnet, ist Kalkül: Maßschuh statt Springerstiefel, Propaganda statt rechter Radau.

Experten halten die Organisation deshalb auch für besonders gefährlich. „Diese Bewegung will offenbar Rassismus mehrheitsfähig machen über den Umweg seiner Kulturalisierung“, sagt Alexander Häusler, der an der Fachhochschule Düsseldorf am Forschungsschwerpunkt Neonazismus arbeitet. „Hier wird bei der Behandlung aller Themen stets ein zentrales Angstthema geschürt: der politische Islamismus, der ja auch wirklich eine ernst zu nehmende Gefahr darstellt.“. Der Islam werde aber auf seine extremistische Ausprägung reduziert, und immer würden alle möglichen Themen pauschal mit der Zuwanderungsfrage verknüpft.

„Der Trend ist deshalb gefährlich, weil die Verschleierungstaktik für den normalen Bürger nicht so leicht zu erkennen ist“, sagt Hartwig Möller, Präsident des NRW-Verfassungsschutzes. Bewusst distanziere sich die Pro-Bewegung formal von extremistischen Positionen anderer Parteien wie der NPD. „Man wählt Anliegen, die auf den ersten Blick eigentlich jeden Bürger betreffen und erst mal keinen extremistischen Hintergrund haben.“ Ein Beispiel dafür sind die Schülerzeitungen, die die Pro-Bewegung verteilt. „Deutsch ist geil“, ist da zu lesen, und in den Artikeln wird Stimmung gegen Muslime gemacht.

Bei der vergangenen Kommunalwahl erhielt Pro Köln 4,7 Prozent der Stimmen. Im Rat nutzen die Pro-Leute ihre Reden zunächst auch immer zur vordergründigen Behandlung eines „normalen“ Themas. Sie fordern zum Beispiel Diskussionen über den Standort eines Drogen-Konsumraums oder über Straftaten, bei denen Autos auf offener Straße angezündet wurden. Erst am Ende ihrer Rede rücken sie mit ihren wahren Beweggründen heraus: Die Schuld an negativen Entwicklungen wird vor allem Einwanderern zugesprochen. Im Internet aber zeigt die Pro-Bewegung ihr wahres Gesicht: Die Veranstaltung am kommenden Wochenende wird da auch unverhüllt als „Anti-Islamkongress“ angekündigt.

Dabei werden die äußerlich biederen „Pro-Kölner“ ihr muslimisches Feindbild gemeinsam mit Vertretern rechtsradikaler und rechtspopulistischer Parteien aus vielen europäischen Ländern pflegen. Führende Vertreter zum Beispiel von der belgischen Formation Vlaams Belang aber auch von der FPÖ aus Österreich haben angekündigt, mit Rednern und Fußvolk antreten zu wollen.

Beide Parteien haben auch in eine gemeinsame Kampfkasse mit Pro Köln eingezahlt. „Ich denke, diese Parteien würden sich nicht mit Pro Köln abgeben, wenn sie hier nicht ein Zukunftspotenzial sehen würden“, sagt Möller. Der Sozialwissenschaftler Häusler sieht die Gefahr einer in ganz Europa vernetzten rechtsradikalen Bewegung, auch wenn die deutschen Pro-Vertreter da aus seiner Sicht noch sehr kleine Lichter sind: „Der Erfolg ihrer perfiden Strategie liegt gerade am Versagen der vorherrschenden Politik, Sorgen und Ängste der Bürger aufzugreifen und vernünftig damit umzugehen.“

Das Treffen der europäischen Islam-Gegner in Köln soll die Neuauflage eines ersten Versuchs sein, der im Herbst vergangenen Jahres gescheitert war. Eine kleine Gruppe Rechter stand einem gesellschaftlich breit getragenen Protest-Bündnis mit Zehntausenden Gegendemonstranten gegenüber. Aus Sicherheitsgründen wurde die Kundgebung schließlich verboten.

Diesmal setzen die Pro-Leute alles daran, ihre Präsenz zu zeigen. Ehrgeizig forderten sie, ihren Aufmarsch auf dem Roncalliplatz direkt am Kölner Dom machen zu dürfen. Die Polizei hat das erst einmal verboten. Ob das nun erlaubt wird oder sie auf einen Platz auf der anderen Rheinseite müssen, entscheiden nun die Gerichte.

Pro NRW gefällt sich derweil schon in der Rolle des Märtyrers. Man fühlt sich gegängelt und in der Meinungsfreiheit eingeschränkt. Die Strategie: Mit gezielten Provokationen will man offenbar möglichst viel Widerstand erreichen. So kündigten die Pro-Leute zeitweise einen Demonstrationszug direkt vor der Baustelle der Kölner Moschee an.

Im linksautonomen Lager wird unterdessen bundesweit dafür geworben, den „Anti-Islamisierungskongress“ in Köln zu verhindern. „Seitens der Pro-Bewegung ist es geradezu erwünscht, mediale Aufmerksamkeit zu erheischen“, sagt Sozialforscher Häusler: „Nach einer Provozierung wollen sie sich als Opfer inszenieren und damit eine populistische Spirale in Gang setzen, nach der man sich am Ende als Opfer der Political Correctness, der Medienmafia und der Polizei darstellen kann.“

Unser Autor Frank Überall, 38, hat als Politikwissenschaftler promoviert und lehrt in diesem Bereich an der Fachhochschule Düsseldorf

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