Filmkritik: „Der Weg nach Mekka. Die Reise des Muhammad Asad.“

10.11.2008 Filmkritik: „Der Weg nach Mekka. Die Reise des Muhammad Asad.“ Von Safia Bouchari, Mainz
Sehenswerte, nachdenklich machende Lebensgeschichte

Hörprobe: Der Weg nach Mekka von Leopold Weiss

(iz) Einem der berühmtesten europäischen Muslime ist ein neuer Dokumentarfilm gewidmet, der am 27. November unter dem Titel „Der Weg nach Mekka. Die Reise des Muhammad Asad“ in die Kinos kommt.
Muhammad Asad wurde im Jahr 1900 als Leopold Weiss im ukrainischen Lemberg (Lwow, Lviv) als Sohn einer jüdischen Familie geboren, später zog seine Familie nach Wien. Asad selbst lebte dann zeitweise in Deutschland und arbeitete unter anderem als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“, bevor er Anfang der 1920er Jahre nach Palästina reiste. Fasziniert von der muslimischen Lebensweise – Weiss lernte das damals noch vorhandene authentische beduinische Leben kennen und verbrachte viel Zeit unter ihnen in der Wüste – näherte er sich dem Islam an, den er, nach weiteren ausgiebigen Reisen im Vorderen Orient, schließlich 1926 annahm. Es folgte eine politische Karriere als Berater des saudischen Königs und später in Indien, wo er an der Konzeption und Gründung des Staates Pakistan mit beteiligt war, besonders an der Formulierung der ersten Verfassung, wobei sein eigentlicher Verfassungsvorschlag nicht implentiert wurde. Zwischenzeitlich war er dort während des Zweiten Weltkriegs von den Briten interniert worden. Ein Großteil seiner Familie wurde im Holocaust umgebracht. Nach der Gründung Pakistans war er dessen Botschafter bei der UNO in New York. Nach drei Jahren, 1952, gibt er dieses Amt jedoch auf, laut dem Film aufgrund einer Intrige seiner pakistanischen Kollegen.

Von hier an kann man sagen, dass ein biografischer Einschnitt stattfand und das politische Leben des Muhammad Asad beendet war. Fortan schrieb er vor allem Bücher, von denen insbesondere „Der Weg nach Mekka“, in dem er seinen Weg zum Islam beschreibt und das sicher für viele andere ein Einfluss auf ihrem Weg zum Islam war, aber auch seine spätere Qur’an-Übertragung ins Englische, „The Message of the Qur’an“, besonders bekannt wurden. Asad lebte dann längere Zeit in Marokko, und die letzten fünf Jahre seines Lebens zürückgezogen in Andalusien, wo er 1992 starb.

Der Regisseur Georg Misch lässt im Film vor allem die befragten Personen sprechen, es gibt nur eine minimale Kommentierung. Dabei sind die Aussagen der Befragten, je nach dem, wie gut sie Muhammad Asad kennen beziehungsweise kannten, mal mehr oder auch weniger aufschlussreich. Teils erschütternde Interviewszenen entstanden in Palästina und Israel. Andere Drehorte sind unter anderem Wien, wo vor Kurzem der „Muhammad-Asad-Platz“ eingeweiht wurde, Saudi-Arabien, Pakistan, wo sich eine lose Gruppe von „Asadianern“ gelegentlich trifft, New York, wo mit dem Sohn Prof. Talal Asad gesprochen wurde, oder Marokko, wo zwei ältere jüdische Damen, die Asad aus seiner Zeit in Marokko kennen, sich über ihn austauschen, und der Historiker und Islamwissenschaftler Malise Ruthven seine Eindrücke aus persönlichen Begegnungen mit Muhammad Asad wiedergibt. Die drei letztgenannten sind auch die interessanteren Gespräche des Films, während andere, beispielsweise die langen, unkommentierten Szenen aus Pakistan, dem Film auch gewisse Längen geben. Die letzte Ehefrau Asads, Pola Hamida Asad, erscheint hingegen im Film nicht.

Der Film zeichnet die Lebensgeschichte eines Mannes nach, der mit seinen Büchern und seinen frühen politischen Aktivitäten große Popularität erlangte, doch letztlich mit seinen persönlichen Gedanken und Theorien zum Islam, seien sie politischer oder religiöser Art, in der muslimischen Umma nicht mehrheitsfähig war; was vielleicht auch daran lag, dass diese nicht auf einer authentischen Lehre und Wissensvermittlung, sondern auf individuellem Denken beruhten. Ablehnend gegenüber dem Sufismus, aber auch dem klassischen Fiqh eingestellt, war Muhammad Asads Denken stark von den frühen Modernisten der Jahrhundertwende, wie Muhammad Abduh, beeinflusst. Auch war Asad zumindest in den letzten Jahrzehnten seines Lebens offenbar nicht in eine muslimische Gemeinschaft eingebettet. So starb er vereinzelt und zunehmend enttäuscht von den Muslimen, was sich in verbittert klingenden Sätzen wie dem, dass heute „wir Muslime…das allerletzte“ („the lowest of the low“ im englischen Originalzitat) seien, ausdrückt. Bei aller berechtigten und verständlichen Kritik am Zustand der Muslime wirkt dies in seiner Bitterkeit doch zu weitgehend.

Der Film offenbart ein Stück weit auch die Tragik der intellektuellen Lebensgeschichte dieses Menschen, der mit seinem rationalistisch orientierten Denken, oft auch als „reformistisch“ oder „modernistisch“ bezeichnet, letztlich keinen Erfolg hatte. Dass das Werk Muhammad Asads vor diesem Hintergrund bei Teilen gerade der jüngeren muslimischen Generation trotzdem noch so hoch im Kurs steht, wirkt nach dem Eindruck des Films nur schwer nachvollziehbar. Der Film ist auf jeden Fall in mehrerlei Hinsicht sehenswert, aufschlussreich und macht nachdenklich.

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